Sympathie statt Rabatt – warum Kundenbindungsprogramme mehr können sollten als Punkte zu verteilen
Kundenbindungsprogramme, das bedeutet meistens Punkte sammeln oder Bonuskarten abstempeln lassen – als Vorteil winken in der Regel Rabatte. Dabei sollten sich Unternehmen lieber darauf konzentrieren, eine emotionale Bindung zu ihren Kunden aufzubauen. Warum sich Sympathie für Unternehmen auszahlt, erklärt der Experte für Kundenbindungsprogramme Michael Bregulla von Ingenico Marketing Solutions in seinem Gastbeitrag für HORIZONT.

Um zu verstehen, wie Loyaltyprogramme in ihrem Kern funktionieren, reicht ein Blick in den Einzelhandel von früher. Vor der Ära der Supermärkte wurde Kundentreue vor allen Dingen in den vielen kleinen und großen Services und Wertschätzungen hergestellt. Die Leistungen dieser „Lieblingsläden“ waren selten geplant, aber nachhaltig und wirkungsvoll. Vor allen Dingen gingen sie über den Verkaufsprozess hinaus. Im Laden um die Ecke konnte man „anschreiben lassen“, der Metzger wusste, dass in der Grillwurst für Vati kein Kümmel drin sein sollte. Man kannte und verstand sich. Willkommener Nebeneffekt: Aus der Kundenkenntnis heraus konnten relevante Angebote entstehen und damit ein Mehrumsatz an der Ladentheke.
Und heute? Die Shoppingwelt dreht sich nicht nur schneller als noch vor einigen Jahrzehnten, sondern ist weitgehend automatisiert und vom persönlichen Kontakt abgekoppelt.
Stellt sich also die Frage, wie echte Kundenbindung in diesem Umfeld funktionieren kann. Und was ein gutes Loyaltyprogramm leisten muss? Bisher war das sowohl aus Händler- als auch aus Kundensicht relativ klar. Kundentreue bzw. -bindung funktionierte weitgehend über Vorteilsprogramme. Und dabei wurde und wird fast ausschließlich auf Punkte und Rabatte gesetzt. Ob die ersehnte Kundenliebe jetzt tatsächlich dem Unternehmen bzw. Shop gilt oder eben doch nur dem Rabattprogramm blieb offen.
Dabei ist gerade das entscheidend: Kunden, die eine emotionale Beziehung zu einem Unternehmen haben, sorgen für bis zu dreifachen Umsatz und empfehlen die Marke deutlich häufiger als Kunden ohne eine solche emotionale Verbindung.
Dabei entstehen Beziehungen und damit langfristig wirksame Emotionen immer aus dem Gefühl heraus, vom Gegenüber wirklich wertgeschätzt und verstanden zu werden. Dafür bedarf es einer Interaktion, die über die rein monetäre Ebene – also Rabattaktionen oder Bonuspunkte – hinausgeht. Diese Interaktion muss ebenso persönlich wie authentisch sein und über die gesamte Customer Journey gehen.
Ein gutes Loyalty-Programm schafft diese Zusatzangebote rund um den Einkaufsprozess! Das können die Integration von Car-Sharing-Angeboten in die Loyalty-App sein, an das eigene Einkaufsverhalten angepasste Rezeptvorschläge, die direkt in eine Shoppingliste münden. Einfache Bezahlvorgänge, die das Schlange stehen unnötig machen. Digitale Pfandbons…
Soziale Verantwortung im Loyaltyprogramm widerspiegeln
Dass heute Datenbanken und Algorithmen darüber bestimmen, was genau diese passenden Produkte sind, stört dann nicht, wenn diese Form der Wertschätzung aktuell und stimmig ist. Oder anders: Das Programm muss die individuellen Vorlieben der Kunden kennen und genau wissen wie diese im individuellen Fall ticken. Das System muss schlau sein und sensibel. Es muss aus der Beziehung lernen und kann so ein ständig wachsendes Potenzial nutzen, indem es sich diesen neuen Erkenntnissen entsprechend ausrichtet.
Dabei muss der Benefit für die Kundin oder den Kunden gar nicht unbedingt ein direkter Nutzen sein. Ebenso wertvoll ist das gute Gefühl mit dem Unternehmen zusammen etwas Sinnvolles zu tun. Besonders für Millennials ist die Bedeutung der sozialen Verantwortung von Unternehmen heute deutlich größer als bei älteren Zielgruppen und damit entscheidend für eine emotionale Bindung. Unterschiedliche nationale und internationale Retail-Studien belegen, dass vier von fünf Millennials geradezu erwarten, dass ihre Händler ihre Werte vertreten und Verantwortung übernehmen.
Auf der anderen Seite sind gut umgesetzte Kundenbindungsprogramme gerade für Millennials ein wichtiger Grund einem Unternehmen treu zu bleiben. Rund die Hälfte der Millennials haben in der letzten IMS-Studie bestätigt (IMS Retail Loyalty 2020), dass ihre Nutzung von Loyalty Programmen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Für 72% der befragten Konsumenten sollte ein Loyalty Programm direkt gesellschaftliche Trends wie Klimaneutralität oder Ansätze der Sharing Economy fördern.
Die Marketingabteilungen des Handels haben dieses Thema unter dem Begriff Corporate Citizenship bereits seit vielen Jahren weitgehend im Bereich Corporate Social Responsibility (CSR) verankert, die Verlängerung in die Kundenbindungsprogramme blieb allerdings oft aus.
Engagement im Earn- und Burn-Modus
Dabei wäre genau eine solche Verlängerung angesichts der Tatsache, dass Millennials das ethische Engagement eines Unternehmens fordern und Loyaltyprogramme verstärkt nutzen, nur konsequent.
Besonders glaubwürdig sind solche Programme immer dann, wenn sie gleichermaßen im Earn- und Burn-Modus funktionieren, also bereits ein im Sinne der Programmzielsetzung positives bzw. soziales Verhalten belohnen. Der Kunde tut etwas Gutes für die Gesellschaft und wird mit guten Taten vom Unternehmen dafür belohnt. Wie das funktionieren kann, beweist H&M mit dem Conscious-Programm. Hier können die Kunden Vorteile verdienen (earnen), indem sie zum Beispiel auf Plastikverpackungen verzichten oder ihre alte Bekleidung zum recyceln spenden. Einen ganz ähnlichen Weg geht das Kosmetikunternehmen KIEHL´S mit dem Programm „KIEHL´S Recycle & Be Rewarded“ – wer leere Produktverpackungen zurück in den Shop bringt der wird über verschiedene Wege belohnt.
Ebenso emotional kann auch das Einlösen der verdienten Vorteile gestaltet werden (der Burn-Modus). So können im Rahmen einer Kampagne von Mars Pet Foods Kunden über einen Schieberegler auf einer App selbst entscheiden zu welchem Anteil der Cashback-Beträge ausgezahlt oder an den Tierschutz gespendet werden soll.
Echte Communities als Loyalty-Königsdisziplin
Mit einem gemeinsamen Werteempfinden und den entsprechenden digitalen Werkzeugen ist es zum Aufbau einer Kundencommunity nur noch ein kleiner Schritt. Die Königsklasse der Kundenbindung bleibt eben die echte Gemeinschaft. So wie damals bei Tante Emma. Ein Lebensmittelpunkt, an dem man sich trifft und sich austauscht. Real vor Ort oder eben digital. Dabei können digitale Werkzeuge helfen, dazu gehören aber auch vom Loyalty-Programm gesteuerte reale physische Erlebnisse, Events, echte Begegnungen. Das wurde gerade während der Covid-Pandemie deutlich. Menschen haben sich für ihren Einzelhändler engagiert (z.B. #supportyourlocal) und umgekehrt hat auch der Handel in vielen Facetten eine sehr menschliche und gemeinschaftsorientierte Seite gezeigt.
Durch die Einbindung von lokalen Partnern in die Programme großer Einzelhändler („glocal principle“) kann die Attraktivität dabei ebenso gesteigert werden wie durch die programmatische und organisatorische Vernetzung von Loyalty mit Social Media. Wie gut das funktionieren kann zeigt etwa die „Tchibo Community“.
Offenheit ist dafür Voraussetzung. Der beherzte Blick in die Zukunft und manchmal auch zurück – in die Zeit von Milchmann und Tante Emma, die mit viel Engagement und persönlicher Wertschätzung für echte Kundentreue gesorgt haben.
Über den Autor:
Der studierte Wirtschaftsingenieur (MBA) und Hochschuldozent (Nordakademie) Michael Bregulla ist seit rund sechs Jahren als Leiter des Bereiches Client Development bei Ingenico Marketing Solutions (IMS). IMS ist ein führendes europäisches Marketing-Tech-Unternehmen, das softwarebasiert Kundendaten generiert, verarbeitet und für personalisierte und individualisierte Angebote an Kunden nutzbar macht. Zu den Kunden von IMS gehören unter anderem toom Baumarkt, REWE, s.Oliver, Douglas, Rossmann, A.T.U oder ARAL.
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